„Der Oberarzt tat etwas, was wir alle für Trauernde tun können: Die Leerstellen aushalten.“
Lesenswerter Artikel von Barbara Plagg auf www.barfuss.it vom 2.11.2020.
„Der Oberarzt tat etwas, was wir alle für Trauernde tun können: Die Leerstellen aushalten.“
Lesenswerter Artikel von Barbara Plagg auf www.barfuss.it vom 2.11.2020.
Sterben und Trauer in Corona-Zeiten:
Nähe schaffen trotz Kontaktbeschränkung – einen Abschied in Würde gestalten!
„Sterben ist nicht vorrangig ein medizinisches Ereignis und wir müssen damit aufhören, es als solches zu behandeln. Es ist vielmehr ein Thema von Beziehungen. Beziehung zu uns selbst, zu denen, die wir lieben. Zu Gott oder wie auch immer unser Bild von der letztendlichen Güte im Leben aussieht.“ Frank Ostaseski, Zen-Hospice San Francisco
Und auch die Palliativmediziner sind sich einig: eine der größten Ängste am Lebensende ist die Einsamkeit. Wir Menschen sind soziale Wesen und als solche beziehungsabhängig. Wir brauchen andere Menschen!
Das, was Sterbende und ihre Angehörigen derzeit erleben, grenzt an seelische, emotionale, psychische Folter. Menschen sterben alleine – im Krankenhaus oder im Altersheim. Mit Corona oder ohne. Keiner darf da sein, um die Hand zu halten, um Erinnerungen auszutauschen, um etwas Unausgesprochenes zu klären, um noch einmal „du bist mir so wichtig“ oder „Pfiati“ zu sagen. Ein prägender Moment auch für die Hinterbliebenen.
Der Sterbende und seine Angehörige sind mit dem existentiellsten Lebensthema überhaupt konfrontiert und müssen akzeptieren, dass sie ihren Liebsten nicht beistehen können. „Unsere größte Hoffnung ist es, dass unsere Mutter wusste, dass wir nicht kommen durften! Und nicht „nicht wollten“, sagt eine betroffene Frau, deren Mutter alleine im Krankenhaus verstorben ist.
Aus der Sterbe- und Trauerforschung weiß man längst, dass ein würdiger Abschied das Fundament für eine lebensfördernde Trauer ist. Fehlt dieser, kann es zu einer Unterbrechung bzw. sogar Abbruch des Trauerprozesses kommen und psychische Folgen haben.
Traditionelle und starke Trauerrituale werden unterbunden: das Waschen, Ankleiden, Aufbahren, Beerdigen, Anteilnahme durch Händedruck oder Umarmung, „Totenmahlele“….alles wird reglementiert und „auf Distanz gehalten“. Dabei ist es genau die Nähe, die Betroffene brauchen, um den Verlust eines geliebten Menschen zu verarbeiten. Die Familie und Freunde sind die allerwichtigste Stütze! Sie helfen „auszuhalten“, „da-zu-sein“, „zu schweigen-zu weinen-zu schreien“ und unterstützen bei den alltäglichsten Dingen: Kochen, Waschen, einkaufen.
Eine Berührung oder ein kleines Lächeln können die Welt für einen Moment verändern!
„Im Moment beerdigen wir Menschlichkeit, Mitgefühl und Würde“ schreibt meine Kollegin Murielle Kälin von www.schlusslicht.ch. Ja, so ist es wohl! Die Würde im Sterben und die Würde im Abschied und der Trauer gibt es so nicht mehr.
Trauernde dürfen eines nicht vergessen: es gibt da eine innige Verbindung, die sie mit dem Verstorbenen im Leben hatten. Und die kann der Tod nicht nehmen! Ich ermutige alle, nicht hilflos und ohnmächtig zu bleiben und gemeinsam mit Familie und Freunden zu schauen, wie man trotz Kontaktbeschränkung Nähe schaffen kann:
Um nur einige Beispiele zu nennen. Der eigenen Kreativität und Willenskraft seien keine Grenzen gesetzt.
Holt euch Hilfe, wo immer es irgendwie möglich ist.
Die Zukunft wird es zeigen, wie sich das Erleben dieser besonderen Zeit auf unsere Sterbe- und Trauerkultur auswirken wird. Ich hoffe sehr, dass wir offener, aufrichtiger und menschlicher mit diesen Themen umgehen und sie ins Leben holen!
Trauer ist keine Krankheit, Trauer ist ein Gefühl! Wir brauchen die Trauer mit all ihren Facetten, um den Ver-lust, der in unser Leben getreten ist, zu begreifen, zu spüren und ihm einen „guten“ Platz in unserem Leben zu geben.
Der Vortrag soll sowohl Betroffenen als auch dem Umfeld helfen, Verständnis für den Trauerprozess zu entwickeln und zeigt Möglichkeiten auf, den Weg durch den Schmerz zu gehen und Trauernde heilsam zu unterstützen.
Montag, 30.11. 20 Uhr Raiffeisen Kultursaal, Niederdorf
„Deine Handschrift schrieb mir Wichtiges ins Herz“ heißt es auch in diesem Song.
Für mich ist es immer ein ganz besonderer Moment, wenn Trauernde das Geschenk erkennen, das der Verstorbene in ihnen hinterlassen hat. Werte, Fähigkeiten, Tugenden, die sie nun weiterpflegen und weitergeben können.
Ein lebendiges in Erinnerung behalten und somit einen guten Platz im Herzen geben…❤️✨
Wenn Abschiedsrituale fehlen….
….geht den Betroffenen ein unglaublich wichtiger, kraftvoller Anker und Halt verloren. Ein Sterben in Würde, ein bewußter Abschied und das zelebrieren dieses „letzten Festes“ können ein felsenfestes Fundament für den Trauerprozeß sein. Die Gemeinschaft, das gemeinsame Erinnern und der Ausdruck der Anteilnahme geben dem Betroffenen Halt und Sicherheit. In einer Zeit, in der sie den Boden unter Füßen komplett verlieren.
Auch wenn zur Zeit ein Abschied nur stark verkürzt und in engstem Familienkreis stattfinden darf, empfehle ich allen Betroffenen, eine Feier so bald wie möglich nachzuholen.
Ihr könnt jetzt die Zeit nutzen, euch in Ruhe zu überlegen, wie ihr diese gestalten möchtet. Die Musik auswählen, Texte aussuchen, Fotos sammeln, vielleicht eine Video-Collage machen, Erinnerungen aufschreiben und eventuell vortragen…..
Auch das alles ist eine heilsame Trauerbewältigung und gibt das Gefühl, doch etwas Tun zu können und der Ohnmacht und Hilflosigkeit entgegen zu wirken.
Ein Abschied in Würde – für euch und eure geliebten Verstorbenen!✨❤️
Bei einem Telefongespräch heute mit einer Mama, die vor kurzem ihren Sohn verloren hat, hat mich eine Aussage von ihr sehr berührt.
Und zwar hat sie festgestellt, dass viele Menschen im Moment nicht klar kommen mit der Situation, nicht aus dem Haus gehen zu dürfen und ihre sozialen Kontakte einschränken zu müssen. Dass sie es sozusagen oft „nicht mehr aushalten“. (Was ja auch nachvollziehbar ist).
Sie zog eine Parallele zu Trauernden. Sie müssen aushalten! Sie müssen sich damit abfinden, dass ihr Sohn-Tochter-Partner-Schwester-Bruder…. nie mehr kommt. Und sie müssen mit einem um 360° veränderten Alltag zurechtkommen. Für immer. Und nicht nur für 1-2 Monate…..
Mein tiefster Respekt allen Betroffenen, die immer wieder aufstehen und tun, was für ihre Liebsten getan werden muss. Die immer wieder den Mut aufbringen, sich dem Schmerz zu stellen. Die sich jeden Tag der Leere stellen, die sich vor allem anfangs in ihrem Herzen befindet. Die aushalten lernen müsen. Die flexibel werden und lernen, sich immer neuen Situationen anzupassen. Die die Kraft finden, nach Wegen und Ressourcen für eine heilsame Entwicklung zu suchen.
Und die dann mit der Zeit ein tiefes Vertrauen entwickeln, dass die Liebe weit mehr als ein Gefühl ist. Sie ist die Kraft, die uns trägt und uns Zuversicht gibt: „Sie sind nicht weg, nur anders da.“ (Ernst Schneck)
Vor Kurzem hat mir eine trauernde Mama erzählt: „Ich will gar nicht getröstet werden. Nichts kann mich trösten. Ich will mich so traurig fühlen, ich will den Schmerz spüren. Das verbindet mich mit meiner Tochter, da bin ich ihr ganz nah.“
Trauernde fühlen sich auf der „dunklen Seite“ wohl. Sie gibt ihnen Schutz. Es ist ein natürliches Bedürfnis von uns, Jemandem, dem es schlecht geht, Trost zu spenden. Diese Worte erreichen aber einen Trauernden oft nicht. Im Gegenteil, sie können sogar den Eindruck vermitteln, dass es nicht richtig ist, so zu fühlen wie er grad fühlt. Oder ihm das Gefühl geben, ihn „aus der Trauer rausholen zu wollen“.
Für Betroffene ist es ganz wichtig, dass sie fühlen dürfen, wie sie im Moment fühlen. Durch Mitmenschen, die aufrichtig und ernsthaft DASIND, die ZUHÖREN und sie in ihrem Gefühl ERNST NEHMEN, fühlen sie sich verstanden. Und bestenfalls können sie so, im Erzählen, für sich selber Trost finden.
Sich traurig zu FÜHLEN und den Schmerz SPÜREN ist zwar mit Leid verbunden, keine Frage! Aber diese Sinne zuzulassen ist essentiell! Und wenn ein Betroffener das äußert und eben sogar sagt, dass er das will, ist er auf einem guten Weg der heilsamen Trauerbewältigung.
Hab heute dieses Lied von Rolf Zuckowski gehört….Hat mich sehr, sehr berührt.
Für alle Mütter, die den gestrigen Muttertag mit ihrem Kind in einer anderen Form erlebt haben….
Für Dich
(Aus dem Album „Deine Sonne bleibt“)
Werde für dich fröhlich sein,
mich jeden Tag des Lebens freu’n,
werd meine Lieder singen,
und hör dich in ihnen klingen.
Werd für dich die Blumen sehn,
am Strand für dich spazieren gehn,
sag Wolken, Sonne, Mond:
Deine Zeit in dieser Welt
hat sich gelohnt.
Bist nicht mehr da und doch noch hier,
du bist und bleibst ein Teil von mir,
hast mir so viel gegeben,
nun werd ich auch für dich leben.
Dein Herzschlag pocht in meinem Blut,
meint es mit mir noch immer gut.
Mein Lachen und mein Weinen
wird uns zwei immer neu vereinen.
Seh dich noch an meiner Hand,
so weit entfernt vom Kinderland.
Kinder werden groß,
ich lass dich los.
Werde für dich fröhlich sein,
mich jeden Tag des Lebens freu’n,
werd meine Lieder singen,
und hör dich in ihnen klingen.
Werd für dich die Blumen sehn,
am Strand für dich spazieren gehn,
sag Wolken, Sonne, Mond:
Deine Zeit in dieser Welt
hat sich gelohnt.